Ich sitze in einem Café und beobachte. Das Kommen und Gehen, die Vorbeieilenden, die Stehenbleibenden, die Sitzenden. Am Nebentisch sitzt ein Mann, vertieft in eine Zeitung. Er sieht normal aus, durchschnittlich. Irgendwie nichts Besonderes.
Verstohlen schaue ich über meinen Latte Macchiato zu ihm hinüber. Unauffällig versteht sich. Ich liebe Latte Macchiato. Am liebsten mit ein wenig Sirup. Aber das ist ein anderes Thema…
Ob er solo ist? Kann man einem Menschen überhaupt angesehen, ob er Single ist oder in einer Beziehung lebt? Während ich meine Gedanken so weiterspinne, setzt sich eine Frau zu meinem Tischnachbarn und knutscht ihn ungeniert ab. Ihr Aussehen ist eigen, um es auf höfliche Weise auszudrücken. Und plötzlich fällt mir auf, dass neben ihr mein Tischnachbar eigentlich wieder ganz passabel aussieht. Ja, sogar richtig nett.
Ist es so einfach? Wird der Mann automatisch neben einem hässlichen Entlein schöner? Kaum taucht eine weniger attraktive Dame auf, schon ist der Mann interessant?!
Ist das so, weil er vergeben ist oder weil immer das nächste hübschere Objekt die Aufmerksamkeit des Betrachters weckt? Der Gedanke: „Irgendwas muss er ja schließlich an sich haben, das sie fasziniert“ schießt mir durch den Kopf. Ist unser Unterbewusstsein wirklich so leicht steuerbar? Oder ist es die Oberflächlichkeit, die in jedem von uns schlummert – egal, wie sehr wir uns auch dagegen wehren, alles nach einem fest definierten Äußerlichkeitsschema zu beurteilen und in Schubladen und Kategorien einzuordnen?
Und ich denke nur: Wie kann das denn bitte sein? Wenn die, warum ich nicht? Ist das oberflächlich?! Ja, wahrscheinlich ist es das…