Da ist sie nun: Eine verkorkste Liebeserklärung an mich selbst… In der vierten Dekade meines Lebens wird das ja wohl auch langsam mal Zeit ;-).
Das Leben geht manchmal schon seltsame Wege. Na ja, eigentlich gehen wir sie selbst, scheuen uns aber, das an der Schwelle eines gewissen Alters zuzugeben, auch wenn wir es tief in uns ganz genau wissen.
Ich befinde mich gerade an dieser Schwelle – nach einem unglaublich intensiven und harten Jahr 2014 – bis dato. Die wohl schwersten Monate meines Lebens liegen hinter mir – viele Rückschläge, viele Erkenntnisse, viele neue Erfahrungen, viele Enttäuschungen und Verletzungen, aber auch viele Momente des kleinen Glücks. Viel habe ich über das Leben/zu leben gelernt. Und plötzlich kommt bei allen Hindernissen, Verlusten, Neuanfängen doch auch die Frage nach der Einordnung des Alters in den Sinn.
Ich bin mit Ende 30 nun in einem Alter, das ich als Kind als „steinalt“ empfand, nur um jetzt überraschend festzustellen, dass ich mich ja eigentlich gar nicht so alt fühle, wie ich als Kind dachte, mich in diesem Alter fühlen zu müssen. Ich fühle mich erfahren, nicht alt und der Schicksalspinsel hat viele bunte Kleckse auf meinem Lebensbild hinterlassen.
Im Rückblick ist es ein buntes Bild geworden, wüster Expressionismus würde ich sagen, ein wenig kompliziert anzuschauen. Bilder von Erich Heckel oder anderen Künstlern der Künstlergruppe „die Brücke“ schießen mir dabei in den Kopf.
Gefühlt kompliziert war es für mich irgendwie immer. Ich wollte immer dazugehören. Wozu, das weiß ich bis heute nicht so genau. Da bin ich wohl immer noch auf der Suche. Doch das Bedürfnis ist stark wie nie. Denn: Dazuzugehören klingt einfach so gut. Es klingt richtig. Es klingt wichtig. Es klingt normal. Und genau das habe ich bis jetzt immer noch nicht geschafft. Normal zu sein! Mein Leben führt immer noch ein wenig am Seitenstreifen der Straße von anderen entlang. Es tut weh und doch kann ich es irgendwie nicht verhindern. Noch heute versuche ich es irgendwie …. und nun irgendwie doch nicht mehr… die Momentaufnahme ist ein Gefühl des Stehenbleibens… ich schaue auf eine Etappe zurück, die ich bewältigt habe… mit der ich so lala im Reinen bin.
Ich wollte immer lustig rüberkommen, kultiviert sein. In Wirklichkeit war ich unsicher, kam distanziert rüber – aber immer mit einem gewinnenden Lächeln, dass mir immer wieder viele Türen geöffnet hat. Und dann war da noch dieses Molli-Mädchen, dass fest verwurzelt in mir steckte. Es begleitete mich überall hin und stand mir in wichtigen Situationen wahrscheinlich auch im Weg. Aber auch damit mache ich gerade meinen Frieden – irgendwie.
Vor ein paar Wochen stolperte ich über ein Buch, dass mich genau in dieser „Wieso bin ich so anders als andere?“-Phase erwischte.
„Lust auf Leben. Die neue Generation der Frauen über 60“. Es machte mich neugierig. Ob diese Frauen vielleicht eine Antwort auf Fragen wie, „Wie anders darf ich sein?“, „Was sind die wahren Werte des Lebens?“ oder „Wie meistere ich Krisen mit Würde?“ usw. gefunden haben? Im Vorwort las ich: „Und alles ist möglich. Mädels, keine Angst! Alles! Man muss es aber wollen und etwas dafür tun.“ Diese Wörter blieben mir bei der Lektüre des Buches immer im Hinterkopf.
Vorab: Es ist ein unglaubliches Buch, so voller Stärke, Mut, Kraft, so voller Leben. Ein Buch für alle Töchter, Enkelinnen, Frauen zwischen 30 und 50 Jahren, für die Generation Frauen über 60, ach, einfach für alle, die sich bewusst im Frau sein wahrnehmen möchten, ohne diese Selbstfindung allzu ernst zu nehmen. Das Buch dokumentiert Weiblichkeit und Frau sein in ihren schönsten Formen; mit Erfahrungen aus vielen Lebensjahren; mit dem Blick auf die Frage nach der eigenen Persönlichkeit und der Definition von Schönheit und und und…
Elvira Bach wird auf eine der ersten Seiten mit den Worten „Persönlichkeit stellt Schönheit in den Schatten“ zitiert. Mein erster angestaubter Gedanke: „Schön wär’s!“. In einer Welt, in der dein Charakter nach der Optik beurteilt wird, klingt es in meinen Ohren im ersten Moment ein wenig zynisch. Oder bin ich einfach nur zynisch geworden?
Darauf habe ich bei der Lektüre des Buches keine wirkliche Antwort gefunden. Aber: Dies ist ein besonderes Buch, über besondere Frauen… die Rückblicke auf ihr Leben, die Ausschnitte, an denen sie uns teilhaben lassen, sind inspirierend und intensiv… trotz Hindernisse, Rückschlägen und Pfadabbiegungen haben sich ihre Leben irgendwie gefügt… und, das ist so tröstlich, gerade in einer Phase, in der sich alles verändert hat … wie bei mir im Moment… diese beeindruckenden Lebensmodelle mit all ihren Freuden und Leiden, die nicht immer so funktioniert haben, wie man es sich in jungen Jahren vorgestellt hat, und doch im Rückblick richtig und wichtig waren, lassen die Zukunft, den Moment jetzt, mit einem Lächeln auf einen zukommen.
Diese wunderbaren Frauen, die aus ihrem Blickwinkeln das Leben reflektieren, und die aus ihren eigenen Lebenserfahrungen etwas zusammensetzen, das sich Leben nennt, teilen dies offen, manchmal selbstkritisch und doch mit sich wohlwollend – „Wie geht man mit Verlust, Veränderungen, aber auch Erfolg um?“, „Wie weit schwimmt man mit dem Strom oder versucht, dem Strom bewusst entgegenzuschwimmen, um sein eigene Glück zu finden und zu leben?“ … und und und
Eines habe ich aus der Verbindung meiner eigenen Erlebnisse in diesem Jahr und dieser Lektüre über mich gelernt:
Ich lebe kein „übliches“ „normales“ Leben… und vor allem: Es wird IMMER anderes sein … das muss ich akzeptieren … und vielleicht mir genau das auch ein Stück weit verzeihen… dass man im Rückblick seinen Frieden machen kann, zeigen diese Frauen, und das ist so tröstlich…. man sollte immer wieder anhalten und Frieden mit sich und dem schließen, was man bis dato erreicht hat.
UND ich habe gelernt: Ich habe den Fehler, dass ich mich zu sehr durch die Augen anderer reflektiere, und diese Reflexion über die Eigenreflexion stelle. Dabei ist die eigene Sicht auf sich selbst die einzige, die zählt.
UND ich habe gelernt, „Ja“ zum Leben zu sagen. Mit all seinen Hindernissen, Schmerzen, kleinen glücklichen Momenten und und und … es liegt an einem Selbst, wie hoch der Druck der Erwartungshaltung an sich selbst den eigenen Lebensweg lähmt… UND es liegt an einem selbst, wie viel Glück man im Leben zulässt… und sei es nur die tägliche Tasse Lieblingstee Jasmin-Orange. Oder den Menschen ein Lächeln schenkt, die einem auf der Straße begegnen…
Das Jetzt ist hier, das Jetzt ist Leben, das Leben ist jetzt!
Ein Dank an all die im Buch porträtierten Frauen, von denen frau nur lernen kann:
- Elvira Bach, Malerin
- Petra Roth, Oberbürgermeisterin a.D.
- Birgit Keil, Ballerina, Tanzpädagogin und Ballettdirektorin
- Helma Orosz, Oberbürgermeisterin
- Susanne Porsche, Filmproduzentin
- Isolde Wördehoff, Börsenfachfrau und Pilotin
- Edith Huland, Krebsforscherin
- Uta Blume, Kunsthistorikerin
- Catherine von Fürstenberg-Dussmann, Unternehmerin
- Jutta Oerngreen-Behnken, Textildesignerin und Schafzüchterin
- Inge Nijhuis, Geschäftsfrau
- Friederike Garbe, Leiterin des Agape Hauses in Lübeck
- Thekla Carola Wied, Schauspielerin
- Dorothee Devlin, Eventmanagerin
- Martina Meuth, TV-Köchin
- Marina Ruperti, TV-Journalistin
- Renate Schmidt, Politikerin
- Marlies Head, Hotelier
- Sybille Beckenbauer, Unternehmerin im Golftourismus
- Dorothee Eckelmann, Tierärztin
- Roselinde Zankl, Hotelfachfrau
- Eveline Hall, Schauspielerin und Model
- Walburga Ismaier, Heilpraktikerin und Weinhändlerin
- Iris von Arnim, Modedesignerin
- Brigitte Blobel, Schriftstellerin
Liebe Molli,
ein sehr schöner, wie immer sehr eloquenter und nachdenklich stimmender Beitrag! Du hast so ziemlich alle entscheidenden Sinnfragen des Lebens angesprochen. Wenn Du sie beantwortet hast, bist Du so weise und abgeklärt (und wahrscheinlich auch uralt), dass es fast nicht auszuhalten wäre… 😉
Ich kann Dir versichern, dass man sich auch mit Anfang 50 immer noch die ein oder andere der aufgeworfenen Fragen stellt. Aber man weiß dann, dass sie nicht für immer und alle Zeiten beantwortbar sind, sondern nur im Hier und Jetzt. Jeder Augenblick ist nur eine Momentaufnahme von Gefühlen, Stimmungen, Sichtweisen, menschlichen Konstellationen und und und. Alles was Du im Hier und Jetzt denkst, fühlst, machst, summiert sich zu Deinem Leben. Das ist dann auch die gute Tasse Tee, der Gedanke an einen lieben Menschen, die intensive Arbeit an einem ganz besonderen Werk, das Tagträumen, der Spaziergang im Regen und alles, was das Positive des Lebens ausmacht.
Ein Gedanke, der für mich dabei sehr wichtig ist: Wenn Du das machst, was Du gerne machst, wenn Du daran arbeitest, Deine Träume zu verwirklichen, dann triffst Du dabei auch auf die Menschen, die Dir gut tun. Alles andere muss man einfach auf sich zukommen lassen – und das Gute und Richtige erkennen, wenn es einem begegnet.
In diesem Sinne wünsche ich Dir ein von positiven Momenten angefülltes Leben und Begegnungen, die sich einfach richtig anfühlen.
Liebe Grüße von
Stephanie alias die Modeflüsterin
Liebe Modeflüsterin,
deine Kommentare spenden mir immer so viel gute Gefühle und ergänzen meine Artikel in besonderer, wichtiger und einfühlsamer Weise. Ich danke dir.
Du hast völlig recht… das, was wir ausstrahlen, werden wir anziehen. Manchmal verblendet der Alltag jedoch so sehr, dass dies nicht zu sehen ist.
Ich wünsche dir einen wunderbaren Start in die Woche.
Liebste Grüße
Molli